“Wie lange willst du noch warten Aron?”
Arons Schwester Iria redete nun schon seit Tagen auf ihn ein, er solle doch endlich aufgeben.
“Er gab mir sein Wort Iria und so werde ich warten, bis er kommt.”, entgegnete ihr der stämmige Mann, dessen langes Haar so rot war wie das seiner Schwester. Aron hatte vor sehr langer Zeit einmal ein Versprechen gegeben und nun stand er seit jenem Abend am Fenster der kleinen, aus nur zwei Zimmern bestehenden Lehmhütte und wartete. Jeden Abend, nachdem die Sonne hinter den dicht bewaldeten grünen Bergen verschwunden war, zog er sich seine Rüstung, bestehend aus einem einfachen Plattenpanzer und darunter ein zerschlissenes Lederhemd an, nahm seine Axt in die Hand und stellte sich ans Fenster. Seinen Halbhelm aus Messing legte er auf den langen Eichentisch, der sich quer durch das erste Zimmer der Hütte zog und so begann das Warten.

Der Nebel war bereits aufgezogen und bewegte sich wabbernd, wie ein Furcht einflößendes Gespenst über den Boden. Die Bewohner des kleinen Dorfes Kilbride hatten Angst davor, denn wer von diesem Nebel verschluckt wurde, oder wer sich freiwillig in ihn hinein begab, den erwartete nichts Gutes.
Doch Aron war gewappnet, er war bereit zu gehen. Wann auch immer. Eines Abends stand er wieder am Fenster seiner Hütte, doch diesmal Trug er seine Rüstung nicht. Er hatte sie auf  das Drängen seiner Schwester nicht angelegt, damit sie sich nicht zu sehr sorgte. Doch seine Axt, sie war ihm das Wertvollste, hielt er fest umklammert. Er hatte sie an jenem Abend von einem Zwerg bekommen. Dieser hatte sie eigens nur für Aron geschmiedet. Eine Doppelaxt geschmiedet aus Silber und mit dem Segen von Erog, dem Gott der Zwerge.  Es heißt Aron könne mit seiner rubinbestezten Axt Stein zerschlagen, diese Gabe hätte sie bekommen als Erog sie segnete.

Aron wollte gerade etwas zu Iria sagen, als er unvermittelt inne hielt und hinaus in die Nacht lauschte. Er konnte Schritte durch den Nebel hören. Ganz leise Schritte auf dem Kopfsteinpflaster, fast schwebend, kamen auf seine Hütte zu.
“Er kommt Iria, er kommt”, Aron brachte diese Worte kaum heraus so sehr war er von Ehrfurcht erfüllt. Ehrfurcht vor seinem Freund und vor dem Versprechen was er im gegeben hatte. Aron bedeutete seiner Schwester die Tür zu öffnen, um den Gast einzulassen, auf den er seit Jahren wartete.

“Hallo Aron, du weiß warum ich gekommen bin?”
“Ja mein Freund…die Legende…es ist so weit!”
Aron bot Faeromas einen Platz auf der langen Holzbank an, die an der Wand neben dem Kamin stand. Die Flammen darin verzehrten sich förmlich nach den trockenen Holzscheiten. Etwas lag in der Luft.
“Wie ich sehe besitzt du die Axt von Mendrax noch.”
Aron nickte und beobachtete in die Flammen.
“Möchtet ihr nicht ein wenig Suppe und Brot um euch zu stärken bevor ihr gehen müsst?”, versuchte Iria die bedrückende Stille zu unterbrechen. Und die Beiden nahmen das Angebot nur zu gern an, schließlich hatten sie eine lange Reise vor sich.

Nachdem die beiden gegessen hatten stand Aron auf und ging in das zweite Zimmer der Hütte, welches das Schlafzimmer der beiden Geschwister war, um seine Rüstung zu holen. Faeromas wartete indes und betrachtete eingehend die kleine Hütte. Er kannte diese Bauweise der Menschen nicht, denn da wo er herkam lebten sie in großen Baumhäusern. Diese waren aus Holz und großen Fenstern, damit die Sonne die Zimmer erhellen und man bei Nacht die Sterne sehen konnte. Er bewunderte die Menschen, doch zugleich hatte er auch Mitleid mit ihnen. Obgleich er  unter den Menschen einen Freund gefunden hatte, der ihm Helfen sollte sein Volk, die Elfen, zu retten. Die Trolle, große hässliche und dumme Kreaturen, waren im Reich der Elfen, Alveran, eingefallen und versuchten dort die Macht des Lichterschlosses und der Königin Elendriel, an sich zu reißen. Alles begann so, wie es die Legende vorhersagte und so würde es auch enden, mit einem Menschensohn der einst ein Versprechen gab, um die Königin und ihr Volk zu schützen.

“Ich bin so weit Faeromas.” Aron war aus dem Schlafzimmer getreten und stand nun in voller Rüstung in der Tür.
“Gut dann wollen wir gehen, es liegt noch ein langer Weg vor uns ehe wir das Weltentor erreichen.” Iria war den Tränen nahe, doch zwang sie sich nicht zu weinen. Sie wusste nicht ob und wann sie ihren Bruder wieder sehen würde. Er nahm sie zum Abschied noch einmal in den Arm und küsste ihre Stirn. Der schwarzhaarige Elf erhob sich von der Bank und gab Iria lediglich ein kurzes Nicken als Abschiedsgruß. Beide gingen hinaus in den Nebel und waren auch bald darin nicht mehr zu erkennen. Artikelbild - Geschichten aus Alveran

 

geschrieben am 02.09.2008